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Vororientierungen [Stand 1985]                                  Seite 82
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Radio Bremen (RB)


1) Aufnahmeräume (heutige Situation kurzgefaßt)

   Radio Bremen verwendet für den größten Teil seiner Musikproduktionen
den Sendesaal Studio F. Wichtige Außenräumlichkeiten sind die Glocke in
Bremen und der Schützenhof in Herford.


2) Rahmendaten zur Entwicklung

   In Bremen verlief der Wiederaufbau der im Krieg erloschenen
Rundfunktätigkeit besonders mühsam. Zum einen war die Stadtwaage, das
Gebäude des ehemaligen "Norag"-Nebensenders (zu "Norag" vgl. NDR
Hamburg), vollkommen zerstört worden; zum anderen hatte Bremen einen
Besatzerwechsel erlebt: den Briten waren im August 1945 die Amerikaner
gefolgt, die unbeschränkt Zugang zu einem Hafen haben wollten. Trotz
vieler Umständlichkeiten, Widerstände und Kompetenzstreitigkeiten - der
"Fremdkörper im NWDR-Sendegebiet" - gelang es aber dann doch, eine
"radio station" aufzubauen. Als Datum für den offiziellen Sendebeginn
gilt der 23. Dezember 1945. Radio Bremen, wie der neue Sender genannt
wurde, war unter den von der amerikanischen Besatzungsmacht eingesetzten
und kontrollierten westdeutschen Sendern (vom RIAS abgesehen) der
jüngste (zu OMGUS etc. vgl. RIAS).
   Als Funkhaus diente die sogenannte "Funkvilla", ein beschlagnahmtes
Landhaus in der Schwachhäuser Heerstraße 363. Zum "kleinen Musikstudio"
hatte man einen der Wohnräume hergerichtet (125 cbm; ein Foto zeigt
einen Flügel, wacklige Stühle, Vorhänge für die "variable Akustik" und
mit Dachlatten befestigte Schallschluckwände). Anfang 1946 wurde, unweit
der "Funkvilla", ein in Horn, Horner Heerstraße 31, gelegenes Ausflugs-
restaurant namens St. Pauli "konfisziert" und zum sogenannten
"Funktheater" umgebaut. Auf diese Weise entstanden zwei weitere Musik-
studios: zunächst im Sommer ein kleineres (275 cbm) und dann 1947
(Inbetriebnahme: 28. April) der aus dem Tanz- und Gesellschaftssaal
gewonnene, rd. 2200 cbm große Mehrzwecksendesaal (ca. 350 Sitzplätze).
Zweifellos bedeutete dies für den kleinen Sender einen beträchtlichen
Zuwachs, doch trotzalledem, selbst hier im "Funktheater", machte sich
bald wieder Raumnot breit. Einer der Gründe war das inzwischen
aufgebaute Radio Bremen-Orchester, das den Großteil des Terminplans in
Anspruch nahm. Da Orchesterprodukionen meist langwierig sind und einer
gewissen Ungestörtheit bedürfen - und zudem Direktsendungen noch eine
durchaus übliche Praxis waren -, ist keine allzu blühende Phantasie
nötig, sich vorzustellen, welch eine verzweifelte Planungshektik
geherrscht haben muß. Für das Orchester sollte es aber noch umständ-
licher werden. Denn als am 5. April 1949 Radio Bremen als Anstalt des
öffentlichen Rechts "in deutsche Hände" übergeben wurde - Gesetz vom 22.
November 1948 (vgl. Bausch 1, 1980) -, bedingte dies die Aufhebung der
Beschlagnahmungen, also die Räumung der Gebäude in absehbarer Zeit. Man
fand für das Orchester keine andere Lösung, als einen Kinosaal zu mieten
(Weserlust-Lichtspiele, Osterdeich 150; rd. 2400 cbm, Inbetriebnahme:
Oktober 1950).
   Zaghaft kündigte sich der Schlußpunkt hinter all diese Provisorien
an, als Radio Bremen am 1. Juli 1950 den Sendebetrieb im neuen Funkhaus
(Heinrich-Hertz-Straße 13, Bremen-Horn) aufnahm. Diese neue und
endgültige Bleibe war mehr oder minder auf den Grundmauern eines 1939
stillgelegten Marinelazaretts errichtet worden. (Die Heinrich-Hertz-
Straße wurde übrigens erst für den Rundfunkbau angelegt; die

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Lokalisierung Kurfürstenallee/Ecke Straße in der Vahr ist die ältere
Angabe und gilt eher dem Lazarettorso.) Der Inbetriebnahme folgte am 22.
Juli die feierliche Einweihung; allerdings waren zu diesem Zeitpunkt nur
Sprecherstudios betriebsbereit, ein Mehrzweck- und Kammermusikstudio,
Studio C, kam erst am 1. August hinzu (rd. 250 cbm, 0,6 bis 0,8 sec,
"wandelbar" durch Vorhänge; Teilansicht: RB, Jahrbuch 1950/51, 1953
zwecks akustischer Verbesserung umgestaltet). Was aber immer noch
fehlte, war ein Sendesaal. Fast drei Jahre dauerte es, bis er zusammen
mit einem neuen Sendekomplex, den sogenannten UKW-Studios (Wortstudios
für das zweite Programm), am 23. Dezember (nicht: November) 1952
eingeweiht wurde. Der Kinosaal hatte damit ausgedient. Im Juni 1954
wurde ein neues Kammermusikstudio mit variabler Akustik (Studio I, "I"
wie Ida) dem Betrieb übergeben und gleichzeitig das alte Studio C ganz
der Hörspielproduktion zugeordnet (Studio I: rd. 550 cbm, 0,8 bis 1,15
sec/Q 1956; später genutzt als Mehrzweckstudio).

RR Studio F (Sendesaal): rd. 2900 cbm (ein vom Podium her sich
   muschelförmig öffnender Raum, trapezförmige Grundfläche), 1,45 sec/Q
   1956 (1,9 sec/Q 1953 [!?], 1,6 sec/Q 1972), mittleres Orchester, ca.
   215 Sitzplätze (Bedarfsbestuhlung, keine Empore). Innenraumfotos: RB,
   Jahrbuch 1952/53 (in Richtung Podium); Kuhl, 1965 (Ausschnitt, in
   Richtung Zuschauerraum).


                           Abbildungen
        Funkhaus: Topographie, Studio F: Grundfläche; Fotos
              vgl. Literaturverzeichnis (fehlt noch)


   Da sich das Studio F im Grunde nur für Orchester mittlerer Größe eig-
net, werden nahezu alle "Großproduktionen" (mit Sinfonieorchestern usw.)
außerhalb aufgezeichnet. Zwei der hierbei eingesetzten Räume sind in
Herford der Schützenhofsaal, Arbeitsstätte der Nordwestdeutschen
Philharmonie, und in Bremen der große Saal des 1928 fertiggestellten,
vom Krieg weitgehend verschont gebliebenen Saalbaus "Die Glocke",
Domsheide 6/7 (rd. 10000 cbm, 1,9 sec/Q 1956, ca. 1400 Sitzplätze).
Hier im großen Glockensaal, der akustisch zu den hervorragenden Räumen
gerechnet wird, ist das Philharmonische Staatsorchester Bremen zu Hause.
(Einen kleinen Saal gibt es in dem Gebäude im übrigen auch.) Ein
historisch bedeutender Konzertraum ist die Obere Halle des Rathauses in
Bremen (rd. 4500 cbm). Hier finden die sogenannten Rathauskonzerte
statt, die nach einer kriegs- und nachkriegsbedingten Pause am 15.
Oktober 1950 wiedereröffnet wurden.


3) Radio Bremen-Orchester, Musikfeste, "Pantographie"

   Seit der Auflösung seines Allround-Orchesters im Jahr 1957 scheint
Radio Bremen nie wieder den Versuch einer Neugründung unternommen zu
haben. Irgendwelche Strawinsky-Aufnahmen mit dem ehemaligen Orchester
sind nicht überliefert.

OO Radio Bremen-Orchester. Mittelgroßes Orchester (Mehrzweckorchester),
   im Sommer 1948 gegründet, am 11. Dezember 1957 aufgelöst; Dirigent
   während der gesamten Zeitspanne: Theo Hollinger.

   Strawinsky scheint, nach den zur Verfügung stehenden Quellenmateri-
alien zu urteilen, in der Musikproduktion des Senders keine hervorgeho-

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bene Rolle gespielt zu haben. Eine der wenigen greifbaren Aktivitäten,
die um so erstaunlicher wirkt, war die drei Konzerte umfassende
Veranstaltung zum 100. Geburtstag: Igor Strawinsky 1882 - 1971 (13., 16.
und 19. September 1982; vgl. die Programmannonce in: Der Kirchenmusiker,
4/1982). Ob Rundfunkmitschnitte existieren, ist nicht bekannt.
   Trotz alledem hat auch Radio Bremen in der Förderung und Darstellung
zeitgenösssischen Musikschaffens eine lange und reiche Tradition. Die
heutige wesentliche Einrichtung auf diesem Gebiet ist das jährlich im
Mai veranstaltete Musikfest "pro musica nova"; es widmet seine Kraft und
Aufmerksamkeit im großen und ganzen den neuesten Werken und Strömungen -
schon das betonende "pro" läßt dies ahnen. Zum ersten Mal fand das Fest
vom 2. bis 6. Mai 1961 statt. Auf dem Programm stand in dem Konzert "Die
Klassiker der Moderne" auch ein Werk Strawinskys: Sérénade en la pour
piano (Interpret: Carl Seemann, Bandaufnahme ist nicht erhalten
geblieben). Am Rande sei noch daran erinnert, daß die "pro musica nova"
einen Vorläufer hatte: das 1952 und 1953 ausgetragene Fest "Wege zur
Neuen Musik".
   Aus der Frühzeit von Radio Bremen ist keine Strawinsky-Aufnahme
überliefert. Es ist auch nicht bekannt, was überhaupt existierte.
Besonders umfangreich dürfte der frühe Bestand aber wohl nicht gewesen
sein, denn der kleine "Inselsender" befand sich lange Zeit in höchster
Finanznot (siehe die frühe Auflösung des Orchesters!). Man griff dort
also oft auf Schallplatten zurück, wobei gerade in der Anfangszeit
amerikanische Transcriptions (40 cm Rundfunkgroßschallplatten) ein
nahezu unerschöpfliches und eben sehr billiges Reservoir bildeten. Durch
diese mit 33 Umdrehungen pro Minute betriebenen Kunststoffplatten, deren
Hersteller aus US-amerikanischen Armee-, Rundfunk- und Industriequellen
reichlich schöpften, war auch eine große Zahl von Werken Strawinskys
zugänglich. Eine beeindruckende Sammlung existiert im Bremer Archiv noch
heute (Einzelheiten vgl. Hauptteil).
   Bedenkt man all dies, so war mit Hilfe von Strawinsky-Eigenpro-
duktionen von vornherein keine passable Nachzeichnung der Senderent-
wicklung zu erwarten. Karteikartenkopien standen mir leider erst von den
Jahren 1972/73 an zur Verfügung. Ein Besuch bei Radio Bremen konnte noch
noch nicht in die Tat umgesetzt werden. Ich nehme an, daß sich doch noch
das eine oder andere präzisieren und verbessern ließe, so beispielsweise
die chronologische Einordnung des großen Glockensaals, wobei man
anmerken muß, daß im Fall der "Glocke" auf Karteikarten im allgemeinen
nur "Glocke" angegeben ist. Bei Kammermusik jedoch - und die Produktion
betrifft glücklicherweise sehr viel Kammermusik - ist diese Angabe nicht
spezifisch genug.


Monat/Jahr             Aspekt                        Aufnahme
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 7/1960        a) Studio F                     Trois [et] Cinq pièces
               b) Älteste erhalten gebliebe-   faciles: Gehl/Otto
                  ne Strawinsky-Aufnahme Ra-
                  dio Bremens

 5/1965          Herford/Schützenhofsaal       Symphonie No. 1 Es-dur/
                                               Travis

 4/1974          Die Glocke/Großer Saal        Feu d'artifice/Bernbacher




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[Anmerkung, Aufnahme des DLF, hier nicht verzeichnet, vgl. Einleitung:
 5/1979          Rathaus/Obere Halle           Histoire du soldat/Suite
                                               (Trio)/Wolfgang Meyer]


                      * - * - * - * - * - * - * - *




















































[rb]

Fassung 1985, Online: 15.9.2002, Version: 1.01, 24.10.2002 (Erläuterung: Intro 2002 ff.)

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